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3. Krieg und Reform (1914 – 1945)

Der Erste Weltkrieg

Am 4. August 1914 fällt Deutschland in Belgien ein. Mit Hilfe von vier Zügen, die mit Schiffsblechen gepanzert und mit Kanonen bewaffnet sind, zerstören die Belgier Gleise und Brücken in der Gegend von Antwerpen, um den Feind aufzuhalten. Die belgische Armee, die hinter dem Fluss Yser Zuflucht sucht und dort vier Jahre lang Widerstand leistet, baut ein 130 km langes Eisenbahnnetz zur Versorgung der Soldaten und zur Beförderung von Munition an die Front. Im übrigen Land, das vom Feind besetzt ist, verweigert die Eisenbahnverwaltung jegliche Kollaboration.
Der Feind betreibt das Streckennetz allein.
1915 beschließen die Deutschen den Bau einer neuen Strecke zwischen Aachen und Tongern, um sich der Front in Flandern zu nähern. In nur zwei Jahren bauen sie eine 45 km lange Strecke und zahlreichen Kunstbauten, unter anderem das Viadukt von Alt Moresnet. Es ist über einen Kilometer lang und bleibt bis 1933 das längste Viadukt in Belgien. Als die Bauarbeiten am intensivsten sind, arbeiten 12.000 Personen – vor allem russische Gefangene – auf dieser gigantischen Baustelle. Viele von ihnen sterben an Erschöpfung, Hunger und Krankheiten.
Am Ende des Krieges sind die Schäden gewaltig: ein Viertel des Streckennetzes ist zerstört oder unbrauchbar. Jeder dritte Bahnhof ist nicht mehr zugänglich. Es ist nur mehr ein Drittel der Lokomotiven vorhanden. Dazu kommt eine andere, weitaus grausamere Zahl: über 2.000 Eisenbahner haben das Leben gelassen. Als wieder Frieden herrscht, überlässt Deutschland Belgien als „Kriegsschuld“ 2.000 Lokomotiven, also fast 50% des belgischen Bestandes, der folglich zahlreiche deutsche Modelle erhält. Man nennt sie „Waffenstillstands-Lokomotiven“.
Der Waffenstillstand wurde in Frankreich in Compiègne übrigens in einem Wagen der Compagnie Internationale des Wagons-Lits unterzeichnet, einer von dem Belgier Georges Nagelmackers gegründeten Gesellschaft.

 

 

 

 

 

Gründung der SNCB

Der Erste Weltkrieg hatte tiefe Wunden hinterlassen. Das beschädigte Schienennetz wurde mit aller Macht wieder für den Betrieb vorbereitet. In den 1920er Jahren befand sich das Land in einer Finanzkrise. Um die Schuldenlast zu senken, beschloss die Regierung durch das Gesetz vom 23. Juli 1926 die Gründung der Nationalen Gesellschaft der Belgischen Eisenbahnen (Société Nationale des Chemins de Fer Belges, kurz: SNCB). Dem neuen Unternehmen wurde ein 75-jähriges Nutzungsrecht eingeräumt.
Durch die Umwandlung der Eisenbahnen in ein eigenständiges Unternehmen mit Anteilsstruktur konnte frisches Kapital angezogen werden. Es wurden 30 Millionen Anteile im Wert von 11 Milliarden Franken ausgegeben. Privatpersonen kauften Anteile für rund 5 Milliarden Franken.
Ein weiterer Grund für die Gründung einer autonomen SNCB war die schwerfällige öffentliche Verwaltung, die Innovationen und schnelle Entscheidungen erschwerte. Von Anfang an konnten die Mitarbeiter der SNCB auf einen fortschrittlichen sozialen Status zählen. Darüber hinaus wurde eine nationale paritätische Kommission mit weitreichenden Befugnissen eingerichtet. Die Gewerkschaften erhielten einen Sitz im Verwaltungsrat. Darüber hinaus wurde die SNCB mit einem unangenehmen Erbe konfrontiert. Die Flotte der Holzwaggons war in einem sehr schlechten Zustand. Die meisten von ihnen waren alt und es wurde noch Gas für die Beleuchtung genutzt. Die Sicherheit war bedenklich: Bei Unfällen zersplitterten die Schränke und die Fenster aus normalem Glas…

 

  • Zug für schwere Geschütze – Sammlung Paul Pastiels

  • Zerstörte Eisenbahnbrücke in La Buissière (Frankreich), 1914

  • Ruinen des Bahnhofs Diksmuide

 

 

Aktie, die bei der Gründung der SNCB im Jahr 1926 ausgegeben wurde

Werbeplakat für die Elektrifizierung (SNCB),
Capouillard, 1960

Von Dampf zu Strom

Während der Krise der 1930er Jahre bekam die SNCB Konkurrenz im Güterverkehr. Vor allem die Binnenschifffahrt verlor Marktanteile. Im Jahr 1927 wurden noch 79 % der Tonnenkilometer (Anzahl Tonnen pro Kilometer) über die Schienen transportiert. Im Jahr 1939 war dieser Anteil auf 61 % gesunken.
Wenn das 19. Jahrhundert von der Dampfmaschine dominiert wurde, so war es im 20. Jahrhundert die Verbrennungsmaschine und der Elektroantrieb. Die ersten Autos mit Dieselmotor wurden 1930 im Netz eingesetzt. Sie könnten problemlos als Nahverkehrszüge auf Nebenstrecken und an steilen Ebenen eingesetzt werden. Viel Komfort gab es nicht: meist eine Abteilung der dritten Klasse, ohne Gepäckraum und Toilette.
Der große Durchbruch des Dieselantriebs kam 1954, als völlig neue Dieselmotorwaggons und Diesellokomotiven eingesetzt wurden, um die in Betrieb und Wartung befindlichen teuren Dampflokomotiven zu ersetzen.

Inzwischen wurde auch an der Elektrifizierung gearbeitet. Am 5. Mai 1935 eröffnete die SNCB ihre erste elektrisch betriebene Strecke vom Bahnhof Bruxelles-Nord/Brussel-Noord zum Bahnhof Antwerpen-Centraal. Die elektrischen Triebwagen erreichten eine Geschwindigkeit von 120 km pro Stunde.

 

 

Der Zweite Weltkrieg

Die belgische Armee kapitulierte am 18. Mai 1940. Die belgischen Eisenbahnen wurden von den Besatzern übernommen, die den gesamten Betrieb übernahmen. Die SNCB war gezwungen, erneut Eisenbahner einzustellen, um aktiv unter deutscher Aufsicht mitzuarbeiten. Von diesem Moment an verfolgt Belgien eine Politik des geringsten Übels: zustimmen, ohne zu große Kompromisse machen zu müssen, und all das um der sozioökonomischen Interessen des Landes willen.
Die Eisenbahner waren hin und her gerissen zwischen ihrer Angst vor Deportation, der Notwendigkeit, die Bevölkerung zu versorgen und dem Willen, dem Feind Sand ins Getriebe zu streuen. Viele schlossen sich dem Widerstand an und 900 Eisenbahner kamen ums Leben.
Ab 1941 stellte das NS-Regime keine Triebfahrzeugführer mehr. Die belgischen Fahrer mussten sich um alle Konvois kümmern, auch um die der deutschen Militärzüge. Die SNCB, die zu einem wichtigen Bindeglied in der Logistik der Nazis geworden war, nahm notgedrungen an der Deportation von Juden und Zigeunern aus Belgien und aus Nordfrankreich teil.
Ab 1943 wurde das Eisenbahnnetz zum Ziel von Bombardierungen durch die Alliierten. So wurde Bahnhof Schaerbeek beispielsweise 19 Mal in 9 Monaten bombardiert.
Am Ende des Krieges musste ein trauriger Schlussstrich gezogen werden: weniger als 50 % des Schienennetzes waren noch in Betrieb, die Hälfte der Lokomotiven und Bahnhöfe waren zerstört.

  • Wachablösung, 1940 – Sammlung Paul Pastiels

  • Beschädigte Eisenbahnbrücke in Anseremme, 1945

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